Sven Wirsen, ein verurteilter Drogendealer und Ex-Süchtiger, will der Gesellschaft nach seiner Entlassung etwas zurückgeben und hält Kurse an deutschen Schulen ab. Im Interview erzählt er, von seiner Motivation und wie er Jugendliche dazu bringen möchte, eine andere Laufbahn einzuschlagen.

Herr Wirsen, eine bestimmte Person hat ihr Leben stark beeinflusst: Frau Hofmann vom „Lernraum Knast e. V.“ Verein. Bitte erzählen Sie etwas mehr davon.
Nachdem ich vor vier Jahren in Haft kam, habe dort einen kalten Entzug von Chrystal Meth und anderen Drogen gemacht. Die jahrelange Sucht war so schwer, dass ich zur Entgiftung ins JVA-Krankenhaus musste. Als das Schlimmste überstanden war, wurde mir bewusst, das ich am totalen Tiefpunkt angekommen bin. Ich hatte so viel verdrängt und jetzt, nachdem ich wieder klar war, fand ich mich mit einer jahrelangen Strafe im Gefängnis wieder. Ich wollte mein Leben ändern. Nachdem ich vom Krankenhaus wieder in eine normale JVA überstellt worden war, hab ich von einer Frau gehört, die Achtsamkeitskurse machte. Also dachte ich, ich melde mich mal an, ich wollte einfach an mir arbeiten. Ich bin dann hingegangen ohne eine klare Vorstellung, was im Kurs genau passieren wird. Die Frau saß da und übte „Innehalten“ – sie schlug auf eine Klangschale und beim Geräusch mussten alle still sein. Das war total ungewohnt für mich. In dem Moment fand ich es doof, aber dann habe ich darüber nachgedacht. In der Zelle sind mir immer mehr Sachen bewusst geworden und ich dachte so bei mir: Wow, das ist echt gut.

Da war zum Beispiel die „Neukonditionierung“. Wenn man noch nie im Gefängnis war und kommt in Untersuchungshaft, dann ist das schon eine echt krasse Erfahrung. Man ist total unzufrieden mit allem: Die Zelle ist Mist, das Essen ist Mist, alles ist Mist. Als wir in dem Kurs die Neukonditionierung gemacht haben, haben wir die Hausaufgabe bekommen. Wir sollten alles aufzuschreiben, was wir an diesem Tag Schönes erlebt haben. Damals dachte noch: Sie fährt jetzt nach Hause – und was sollen wir Schönes erleben? Hier ist doch alles Mist! In dem Gefängnis, wo ich eingesessen bin, durfte man nur 2x die Woche duschen, wenn man keine Arbeitsstelle hatte. Das war bei mir der Fall. Wenn man also einige Tage nicht geduscht hatte und dann steht man endlich unter dem warmen Wasserstrahl – da denkt man sich dann schon: Boah, ist das schön. Genau da wurde mir bewusst: Du erlebst jetzt gerade was Schönes. Von da ab hab ich angefangen zu suchen. Wenn man in der Zelle sitzt und die Sonne streift das Gesicht, dann fühlt sich das gut an. Das Erkennen, das es auch hinter Gitter etwas Schönes gibt, hat meine Zeit erträglich gemacht. Das war nur ein Beispiel, wie der Achtsamkeitskurs mein Leben veränder hat. Eigentlich geht dieser Kurs drei Monate, aber er hat mir so viel gegeben, dass ich ihn fast ein Jahr lang gemacht hab

Sie scheinen von diesem Konzept sehr begeistert zu sein.
Die Begegnung mit Frau Hofmann hat mein Leben komplett verändert. Sie hat mich die ganze Zeit über begleitet. Sogar über diesen Kurs hinweg und wir sind Freunde geworfen. Ich hab ihr Briefe geschrieben und sie hat mich im Gefängnis besucht. So ist auch die Idee entstanden, dass ich in die Schulen gehe und mit den jungen Menschen über mein Leben spreche. Es war auch für mich unheimlich hilfreich. Es hat mir eine neue Perspektive auf mein Leben gegeben. 

Wann haben Sie denn mit Ihrem Projekt begonnen, in Schulen über Drogen und Ihr Leben zu referieren?
Da war ich noch in Haft. Ich hatte eine Strafe von fünf Jahren und zehn Monaten und die letzten anderthalb oder zwei Jahre war ich im offenen Vollzug. Bei dieser Entlassungsvorbereitung kriegt man 20 Stunden Ausgang die Woche. Was man in der Zeit macht, bleibt dir überlassen. Man kann sich zum Beispiel mit der Familie treffen. Ich habe die Zeit genutzt und war bei Frau Hofmann. Eine ihrer Nachbarinnen ist Lehrerin an einer Schule für schwer erziehbare Kinder. Sie fragte mich, ob ich ihren Schülern nicht einmal etwas aus meinem Leben erzählen wolle. Das hab ich dann gemacht und es lief sehr gut. Damals hat mich Frau Hofmann noch begleitet. Durch Mundpropaganda haben auch andere Schulen davon erfahren und so nahm es Fahrt auf. Also bin ich bei diesen 20 Stunden nicht nach Hause gefahren, sondern in die Schulen. Wir haben dann den Vortrag fast eineinhalb Jahre lang immer weiter überarbeitet, bis wir zufrieden waren. Und dann hab ich das nach meiner Entlassung weitergemacht.

Es hat also schleichend angefangen..
Ja, es hat sich immer mehr gesteigert. Nach meiner Entlassung haben wir im Rahmen des „Lernraum Knast e. V.“ Vereins dieses Projekt ins Leben gerufen. Wir haben dann auch mit Werbung angefangen und es wurde sehr gut angenommen. Inzwischen bin ich gut ausgebucht. Schon in der Haft hab ich gemerkt, dass jeder Mensch in seinem Leben etwas Sinnstiftendes haben muss. Genau das hat mir einige Zeit gefehlt. Ich hab in meinem Leben viele Dinge gemacht, die falsch waren und mit denen ich Menschen geschadet habe. Jetzt will ich das wieder umkehren und Menschen helfen. Deswegen hab ich auch einen dementsprechenden Beruf ergriffen. Ich arbeite hauptberuflich in einem Heim für geistig behinderte Menschen, genau gesagt für Autisten. Dreißig Stunden pro Woche begleite ich sie im Alltag. Montags und dienstags, an meinen freien Tagen halte ich meine Vorträge an den Schulen.

Sie sagen, Sie wollen etwas zurückgeben, etwas wieder ausgleichen. Woher kommt das?
Das hab ich durch den Kontakt mit der Frau Hofmann in der Haft so gelernt. Aber ich habe auch Bücher über Buddhismus gelesen. Denn bei uns im Gefängnis gab es gar nichts, es ist nur „Verwahrvollzug“. Es wird einem keine Möglichkeit geboten, an seiner Persönlichkeit zu arbeiten. Im Grunde ist alles nur negativ. Bei meinen Kursen erkläre ich den Schülern: Alle Gefängnisinsassen haben immer eine Ausrede, warum sie da sitzen. Man hat ein Selbstbild von sich und innerlich denkt jeder von sich: Hey, ich bin echt ein dufter Typ, mit ein paar Ecken und Kanten, aber im Grunde bin ich okay. Man hat immer eine Ausrede, warum man da ist. „Hätte meine Frau mich nicht betrogen, hätte ich sie nicht umgebracht. Hätte der Typ mich nicht so beleidigt, hätte ich nicht auf ihn eingestochen.

Ich war Großdealer und hab mein Amphetamin selbst hergestellt. Die Mindestabnahmemenge war ein Kilo, darüber wurde nicht diskutiert. Meine Ausrede war, dass die Leute zu mir kamen, damit war ich aus der Verantwortung raus. Ich hab ja nur die Nachfrage bedient. Aber irgendwann habe ich es dann verstanden. Ich hab eingesehen, dass ich eigentlich schon für die Drogen verantwortlich bin, die ja später auch weiterverkauft wurden. Vielleicht sind sie sogar an Schulen gelandet und haben suchtkrank gemacht. Es allerdings lange gedauert, bis das für mich auch wirklich klar war. Gleich nach der Verurteilung hatte ich totale Wut und hab die Schuld bei anderen gesucht. So habe ich 1 1/2 Jahre darüber nachgedacht, wie ich es dem Typen, der mich verraten hat, am besten heimzahle. Ich mache dann in den Schulen eine kleine Fragerunde. „Was glaubt ihr denn, wer daran Schuld hat? Wer ist daran schuld, dass ich im Gefängnis gelandet bin? Der Typ, der mich verraten hat? Der Staatsanwalt? Der Richter?“ Dann erkläre ich den Jugendlichen, was ich nach langer Zeit herausgefunden habe. Nämlich dass es allein meine Schuld war. Ich hab das entschieden, das so zu machen. Wenn man anfängt, darüber nachzudenken, wird einem bewusst, dass man ganz oft richtig miese Sachen gemacht hat. Sich selbst so den Spiegel vorzuhalten, das tut weh. Ich hab dann für mich entschieden, mein Leben ändern, wenn ich rauskomme. Genau das hab ich auch gemacht. Allerdings war das sehr schwer. Wenn man einmal raus ist aus der Gesellschaft, dann lässt sie einen nicht mehr rein. Ich hab sehr viele Absagen auf meine Bewerbungen bekommen. Dann habe ich durch unseren Verein meinen jetzigen Chef kennengelernt. Er hat mir eine Chance gegeben. Es war ein großer Vertrauensvorschuss.

Sie wollten ihr Leben ändern, nachdem Sie rausgekommen sind. Waren da noch andere Stolpersteine abgesehen von der Arbeitssuche?
Als ich entlassen worden bin, war ich arbeitslos, obdachlos und stand ohne Geld mit zwei Sporttaschen im Regen. Ganz alleine bin ich da raus gelatscht. Wie in einem schlechten Film. Ich hatte so wenig Zukunftsperspektive, dass ich richtig traurig war, dass ich entlassen worden bin. Ich wollte wieder zurück. Denn dort, im Knast, hatte ich ein Leben. Da war mein Zimmer, ich hatte mit der Leitung der Bücherei einen guten Job. Mit einigen Beamten war ich sogar per Du, das war einfach mein Zuhause. Draußen hatte ich keine Sozialkontakte mehr, an die ich mich hätte wenden können. Also hab ich zwei Jahre in einer Obdachlosenunterkunft der Caritas gewohnt. In diesen Übergangsheimen für Entlassene aus dem Gefängnis kann man zwei Jahre wohnen. Auf vier Stockwerken waren je fünf Bewohner und einen Sozialarbeiter untergebracht. Und alle Leute dort waren schwer drogenabhängig. Mittendrin habe ich als Ex-Drogenabhängiger gewohnt. Der Typ gegenüber hat Amphetamine verkauft, der neben ist jeden Tag an der Nadel gehangen. Wenn ich abends heimgekommen bin, lag der am Flur mit einer Nadel im Arm. Ich bin drübergestiegen und in mein Zimmer gegangen. Das sind die besten Voraussetzungen, wieder ein produktives Mitglied der Gesellschaft zu werden. Es gibt da einen Spruch: Wenn Du entlassen wirst, sagen die Beamten: Bis zum nächsten Mal. 

Trotz dieser Hürden haben Sie es aus eigener Kraft geschafft, sich wieder in die Gesellschaft zu integrieren. Ich möchte noch mal auf einen wichtigen Teil ihres jetzigen Lebens zurückkommen. Sie betreiben Aufklärungsarbeit mit Jugendlichen in Schulen. In welcher Altersklasse sind denn die Schüler, mit denen Sie arbeiten?
Das variiert etwas, aber grundsätzlich sind sie zwischen 15 und 17 Jahre alt. Bei Jüngeren macht das nicht wirklich Sinn, da der Kern meines Vortrages die Drogensucht zu weit von deren Alltag weg ist. Ich mache auch ein ziemlich straffes Programm mit viel Information. Mein Vortrag geht von acht Uhr bis zwei Uhr Nachmittag, also einen ganzen Schultag lang. Die älteren Kinder können sich länger konzentrieren und es interessiert sie auch. Die meisten waren schon auf einer Party, wo was geraucht wurde. Ein weiterer Grund, warum mein Vortrag für Jüngere nicht geeignet ist, sind meine Geschichten. Sie sind teilweise ziemlich drastisch. Ich erzähle von meinen Erfahrungen beim Konsum, beispielsweise, dass ich Blut erbrochen habe. Außerdem erzähle ich von Schicksalsschlägen wie von siebzehn meiner Freunde, die inzwischen alle tot sind. Um den Kindern keinen emotionalen Schaden zuzufügen, mache ich meinen Vortrag ab der 10. Klasse.

Auch wenn es einem noch so schwer gemacht wird, wenn man den Willen hat, sich zu ändern, dann funktioniert es. Nach der Entlassung gehen die meisten mit tausend Ideen los, wollen voll durchstarten. Ich sag euch, viele werden euch nur die Türen vor der Nase zuschlagen. Aber wenn man es wirklich will, dann klappt das. Ich hab die Kurve gekriegt und auf mich hat keiner eine Wette abgeschlossen. Wenn ich das geschafft hab, kann es jeder schaffen. Man muss nur den Willen haben und die Überzeugung, wirklich was ändern zu wollen.“ sagt Sven Wirsen im Interview.

Kommen die Schulen direkt auf Sie zu?
Wir machen viel Werbung, aber das Problem ist, dass ich das nicht umsonst machen kann. Ich arbeite wegen der Vorträge weniger in meinem normalen Job, daher muss ich das finanzielle Loch irgendwie stopfen. Und da ist das große Problem, denn die Schulen haben Geld. Wir arbeiten also über Fördervereine. Bei vielen Schulen ist mein Kurs sogar schon Teil des Lehrplans, da werde ich jedes Jahr wieder eingeladen. Allerdings sind es die Förderschulen, die meine Hilfe am dringendsten brauchen würden. Genau die haben keine privaten Gelder, die sie locker machen könnten. Aber gerade die abgehängten Kinder, für die interessiert sich niemand. Das sind genau die Jugendlichen, die leuchtende Augen bekommen, wenn ich über Kriminalität erzähle. Das sind ihre Vorbilder, genau das wollen sie auch werden. Bis zu einem gewissen Grad kann ich die jungen Leute verstehen, die wissen auch, dass sie keine Chance haben. Sie können kaum Deutsch, sind in der Schule schlecht und dann steh ich da vorne und sage: Leute, das ist der falsche Weg. Manchmal schaffe ich es dennoch, zu ihnen durchzukommen. Ich bin in einer Klasse gewesen, in der ein 15-Jähriger mit seiner Bande Prostituierte überfallen hat. Mithilfe meines Vortrags und auch weil ich Religion miteinbezogen habe, konnte ich ihn beeinflussen. Nach vier Wochen hat er mich angesprochen und mir gedankt. Der Junge meinte, er hat drei Tage über meine Worte nachgedacht und er würde jetzt sein Leben ändern. Genau wegen solchen Erfolgserlebnissen ist es umso schlimmer und frustrierender, dass wir keinerlei finanzielle Unterstützung bekommen. Es ist traurig und einfach kurzsichtig. Gerade eine Vermeidung von Sucht und von Straftaten durch Aufklärungsarbeit spart ja auch Geld. Auch die Bevölkerung wäre besser geschützt. Aber leider, die Leute machen zu und wollen, dass nicht hören. Bis irgendwann wieder etwas Schreckliches geschieht und sich jeder fragt: Wie konnte das passieren?

Wie läuft denn ein solcher Besuch in der Schule ab? Sie sagten, Sie gehen nach einem bestimmten Programm vor?
Zuerst stelle ich mich und den Verein vor. Ich erzähle von meiner Arbeit und erkläre auch, was Frau Hofmann macht. Dann versuche ich den Wissenstand der Schüler herauszufinden. Ich habe laminierte Kärtchen, auf denen verschiedene Drogen wie Kokain, Amphetamin und andere abgebildet sind. Dann pinne ich drei Kategorien als Überschrift an eine Tafel. Ich lasse die Schüler die Drogen zuordnen. Sind es Aufputschmittel, Opiate oder Halluzinogene? Im nächsten Schritt erkläre ich ihnen, wie diese Drogen wirken. Ich hab die ja alle genommen. Aber bei meinem Vortrag erzähle ich den jungen Leuten auch keinen Blödsinn. Es fühlt sich nun mal gut an, wenn man sie nimmt, sonst würde es ja keiner tun. Mit Chrystal Meth hat man so einen Flash, ein Hochgefühl, das kann man mit nichts anderem übertreffen. Verliebt sein, Sex haben, egal was – es ist langweilig dagegen. Wenn man einmal dieses Gefühl hatte, dann will man es immer wieder. Genau das ist der Grund, warum Dorgenkonsum zwangsläufig in die Kriminalität führt. Das ist leider immer so, weil man sehr schnell massive Geldprobleme bekommt. Dann klaust du erst der Mama mal was, verkaufst einige deiner Sachen und dann muss man auf anderem Weg Geld ranschaffen. Ich hab zum Schluss so geschätzt 2.000 – 3.000 Euro im Monat für Drogen ausgegeben.

Aber warum haben sie so eine extreme Wirkung, dass die Drogen der Mittelpunkt des Lebens werden? Ich erkläre den Kindern nicht nur die Wirkung, sondern auch, wo die Gefahren liegen. Immerhin hab ich selbst Amphetamine hergestellt und weiß daher, dass dafür Schwefelsäure verwendet wird. Also nimmt man mit der Droge auch diese Säure zu sich. Dann kriegen die Schüler ein paar Geschichten aus meinem Leben zu hören. Beispielsweise wie mir das Blut aus den Nasenlöchern gespritzt ist, weil ich mir beim Raufziehen eine Ader in der Nase verätzt hab. Durch solche Anekdoten bleibt es besser im Gedächtnis und das ist das Ende des ersten Unterrichtsteils.

Nach der Pause erzähle ich meine Suchtgeschichte. Warum und wie ich da reingeraten bin. Angefangen hat es damit, dass ich vor 25 Jahren auf einer Technoparty eine Ecstasy genommen hab. Aus dieser einen Pille ist wie so eine Lawine immer mehr und mehr geworden. Dann erkläre ich, wie es sich anfühlt, wenn man komplett die Kontrolle verloren hat. Man ist im Grund wie eine Marionette und die Drogen lenken dich. Nach einem kurzen Film sage ich noch, was die Drogen mit mir gemacht haben. Ich bin chronisch krank geworden, hab eine Colitis ulcerosa, eine unheilbare Darmerkrankung und eine Vorstufe von Speiseröhrenkrebs. Durch das Rauchen habe ich schon 40 % Lungenvolumen eingebüßt. Anschließend erwähne ich meine Freunden, die entweder gestorben sind, schwer krank oder psychisch schwer angeschlagen sind. Einige von ihnen sind im Pflegeheim gelandet.

Einige der Schüler sind der Ansicht „Knast macht Männer“. Sie haben so ein Bild im Kopf, das haben sie in Filmen gesehen. Du gehst in den Knast als totaler Schwächling und dann bist du nur am Pumpen und am Kämpfen und kommst raus wie Silvester Stallone. Gefängnis als Abenteuer für Männer und das ist natürlich totaler Schwachsinn. Ich erzähle ihnen, wie es wirklich ist. Ich zeige ihnen Bilder von Zellen, in denen ich selbst gesessen bin und sage, dass ich drei 1/2 Monate in Isolationshaft war. Dort hört man nachts die anderen Gefangenen schreien.

Zum Schluss erzähle dann von meiner Mutter. Ich durfte einmal die Woche mit ihr telefonieren. Natürlich nur im Beisein eines Beamten und der Lautsprecher muss an sein. Sie erzählte mir, dass sie an der aggressivsten Form von Brustkrebs erkrankt ist und wahrscheinlich sterben wird. Der Beamte meinte dann: „Wenn ihre Mutter tot ist, können Sie vielleicht sogar zur Beerdigung. Und zwar mit Handschellen, Fußfesseln und rechts und links Beamter.“ Nach dem Telefonat kam ich wieder in meine Zelle und merkte dann, was Einsamkeit ist. Ich saß in meiner Zelle, konnte nicht zu meiner Mutter gehen und konnte sie nicht im Krankenhaus besuchen. Ich konnte nicht ihre Hand halten. Ich bin dort gesessen und hab geheult. Am Ende sage ich immer: „Passt auf, welche Entscheidungen ihr trefft. Damit ihr nicht in 20 Jahren genauso rumheult wie ich.“ Das ist dann das Ende des Vortrags. Mit diesem Paket aus Aufklärung, Suchtverlauf und den Auswirkungen haben wir ein ziemlich einzigartiges Projekt geschaffen. Meines Wissens gibt es nur 1-2 Leute in Deutschland, die so etwas ähnliches machen. Ich komme übrigens auch gerne nach Österreich, wenn ihr mich bezahlt. *grinst*

Vielen Dank für das informative Interview.

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Foto: Stefanie Mirtu Hofmann

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