Die parlamentarische Anfragebeantwortung von Justizministerin Anna Sporrer zu Personalmangel, Überbelegung und Betriebsstruktur in den Justizanstalten liest sich wie eine amtliche Bestätigung dessen, was Fachleute seit Jahren kritisieren: Österreichs Strafvollzug läuft im Dauerkrisenmodus.

Überbelegung als Dauerzustand

In mehreren Justizanstalten ist Überfüllung längst Normalität. Linz wies 2024 eine Auslastung von 120 Prozent auf, Salzburg 116 Prozent, die Wiener Neustadt 114 Prozent. Selbst die chronisch überbelegte Josefstadt kam auf 113 Prozent. Die Ministerin vermerkt dazu lediglich nüchtern: „Die gelb markierten Werte zeigen eine Auslastung zwischen 100 und 109 Prozent, während die roten Prozentwerte eine Auslastung von 110 Prozent und darüber darstellen.“

Was hier als technische Kennzahl dargestellt wird, bedeutet in der Praxis: Zellen, die für zwei Personen gedacht sind, beherbergen drei. Weniger Zugang zu Arbeit, weniger Therapie, mehr Konflikte. Fachleute warnen seit Jahren: Überbelegung ist ein Risikofaktor für Gewalt, Suizide und das Scheitern von Resozialisierung.

Personalmangel trotz „Athleta-Projekt“

Auch beim Personal ist die Lage angespannt. Im Juni 2025 waren 192 Planstellen im Justizwachdienst unbesetzt. Zwar gab es laut Ministerium zuletzt einen leichten Aufwärtstrend bei den Bewerbungen: „Bei den tatsächlich angetretenen BewerberInnen gab es (Stand Mai 2025) im Vergleich zum Vorjahr eine Steigerung von +14,39%.“

Doch ein Blick in die Praxis zeigt: Der Zuwachs reicht bei weitem nicht, um die Lücken zu schließen. Notdienste, Überstunden und psychische Belastung prägen den Alltag. Maßnahmen wie „Online Recruiting Days“ oder das Projekt „Justiz Athleta“, bei dem SpitzensportlerInnen als Justizwache aufgenommen werden, wirken eher wie PR-Kampagnen denn wie nachhaltige Lösungen.

Beschäftigungsquote sinkt mit fatalen Folgen

Gefangenenarbeit gilt als Kernstück der Resozialisierung. Doch 2023 lag die Beschäftigungsquote in zahlreichen Anstalten unter 70 Prozent – darunter Eisenstadt, Innsbruck, Linz und die Josefstadt. Das Ministerium erklärt die Ursachen mit „Personalmangel, aber auch teils schlechter werdenden Auftragslagen“.

Die Folgen sind gravierend: Schließungen von Betrieben, fehlende Tagesstruktur, wachsende Unzufriedenheit unter den Insassen. Gerade hier zeigt sich, wie eng Personal- und Überbelegungsprobleme mit Resozialisierungschancen zusammenhängen.

Finanzielle Schieflage

Die Kosten des Strafvollzugs explodieren. 2019 betrugen die Gesamtausgaben 506,95 Millionen Euro, 2024 waren es bereits 753,77 Millionen Euro – ein Anstieg um fast 50 Prozent. Besonders stark stiegen die Personalausgaben und baulichen Kosten, während eine klare Zweckwidmung für Resozialisierungsausgaben nicht ausgewiesen wird. Ministerin Sporrer hält fest: „Eine Differenzierung, hinsichtlich welche Auszahlungen unter Resozialisierung fallen, kann nicht getroffen werden.“

Mit anderen Worten: Niemand weiß genau, wie viel in den zentralen Auftrag des Vollzugs, die Wiedereingliederung, tatsächlich investiert wird.

Stückwerk statt Strukturreform

Die aktuelle Gesetzesnovelle, die u. a. eine Ausweitung der elektronischen Überwachung vorsieht, soll laut Ministerium einen „konkreten geschätzten Entlastungseffekt in Form entfallener Hafttage“ bringen. Doch solche Maßnahmen sind bestenfalls kurzfristige Pflaster.

Die Kernprobleme: Überbelegung, Personalmangel, fehlende Beschäftigung, bleiben bestehen. Solange hier keine tiefgreifenden Reformen erfolgen, bleibt der Strafvollzug ein System, das Sicherheitsrisiken produziert, statt sie zu mindern.

Die Anfragebeantwortung bestätigt: Österreichs Gefängnisse sind überfüllt, das Personal überlastet, die Gefangenen unterbeschäftigt. Der Strafvollzug ist teuer – aber ineffizient. Politische Verantwortung wird durch Tabellen und technische Begriffe kaschiert. Doch hinter diesen Zahlen stehen Menschen, Bedienstete wie Gefangene, die seit Jahren im Ausnahmezustand leben.

One Reply to “Strafvollzug am Limit: Ministeriumsantwort offenbart strukturelles Versagen”

  1. Man gewinnt den Eindruck wegsperren ist das einzige das im Strafvollzug funktioniert. Darin sind alle Minister*innen der letzten Jahre Spitzenklasse. Der Kernauftrag jedoch wird in die untersten Schubladen geschoben und verschlossen, wie die Menschen selbst welche eine Haft anzutreten haben. Die stetig ansteigenden Zahlen der Personen welche in ein forensisch – therapeutisches – Zentrum eingewiesen werden, belegt meine Beobachtungen.

    Ein Trauerspiel, aber keine Leistung.

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